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Vorgestellt
Wuchsort an steilen Kalkhängen
Astrophytum ornatum am Rio Moctezuma und seinen Nebenflüssen
Klaus-Peter Kleszewski und Heinz Hoock
Es ist kein Zufall, dass das erste beschriebene Astrophytum aus der Barranca de Venados, im mexikanischen Bundesstaat Hidalgo stammt. Das Tal mit einer einzigartigen Sukkulentenflora ist verkehrsmäßig von Mexiko Stadt aus leicht zu erreichen. Vor allem aber seine Nähe zu Pachuca und der ehemaligen Silbermine von Real del Monte hat schon im Jahr 1827 auch botanisch interessierte Besucher angelockt. Unter ihnen Dr. Thomas Coulter, ein irischer Botaniker und später Karl Ehrenberg (1847) der dort vorübergehend wohnhaft war. In der Erstbeschreibung als Echinocactus ornatus durch De Candolle (1828) wird allerdings als Fundort nur Mexiko genannt, später durch M. J. Scheidweiler (1838) irrigerweise sogar “Pennasco”, in San Luis Potosi.
Seit diesen Tagen haben viele Kakteensammler und Botaniker unser Wissen über die Lebensbedingungen und das Verbreitungsgebiet dieser Pflanzen erweitert. Man
kann zusammenfassend sagen, dass Astrophytum ornatum am Ober- und Mittellauf des Rio Moctezuma und seinen Nebenflüssen vorkommt. Das Entwässerungsgebiet umfasst eine Fläche die man größenordnungsmäßig mit der Schweiz vergleichen kann. Das südlichste Vorkommen ist im schon erwähnten Venadostal. Nördlich davon sind es Habitate in unmittelbarer Nähe zum Rio Moctezuma sowohl in Hidalgo als auch Queretaro. Entlang des Rio Extoraz und des Rio Torre Blanca, beides linke Nebenflüsse im Hauptstromgebiet, haben sich Populationen der Astrophyten bis nach Guanajuato ausgebreitet und das nördlichste Vorkommen am Rio Bagres befindet sich bereits im Bundesstaat San Luis Potosi nicht sehr weit südlich der gleichnamigen Hauptstadt. (Abb. 2 Verbreitungskarte)
Der Verbreitungsmechanismus von Astrophytum ornatum ist noch ungeklärt. Sicher ist nur, dass Ameisen die Samen wegen der nahrhaften Samenanhängsel (Elaiosomen) verschleppen. Im Venadostal weisen die Pflanzen die evolutiv ursprünglichsten Merkmale auf. Vermutlich haben sich von dort im Verlauf der eiszeitlichen Klimawechsel nach Norden entlang der Flussläufe ausgebreitet. Am Rio Bagres sind die Vorkommen zu den bekannten Standorten von Astrophytum myriostigma nur noch etwa 50 Kilometer Luftlinie entfernt. Es wäre keine Sensation, wenn es in den dazwischenliegenden Arealen evolutive Zwischenformen oder Naturhybriden gäbe.
Die wichtigsten Habitate sollen hier kurz vorgestellt werden. Die angegebenen Ziffern verweisen auf die Einträge auf der Verbreitungskarte. Alle genannten
biometrischen Daten entsprechen den Beobachtungen durch die Autoren vor Ort. Selbstverständlich ist die Variationsbreite der Pflanzengemeinschaften größer, da alle Besuche der Habitate jeweils nur eine sehr
begrenzte Anzahl von Individuen erfassen und keine statistisch gesicherte Aussage zulassen. Den Standorten ist gemeinsam, dass die Pflanzen auf vorwiegend kalkhaltigen Böden vorkommen, obwohl Gestein vulkanischen
Ursprungs häufig unmittelbar anschließt oder durchmischt ist. Wichtig ist auch die Tatsache, dass steile Berghänge beziehungsweise Wasserablaufrinnen mit einer hohen Sonneneinstrahlung die bevorzugten Wuchsorte
sind. In der Ebene auf tiefgründigen Böden ist Astrophytum ornatum eigentlich nie zu finden (Viereck, 1939).
Rio Venados (1):
Für Astrophytum ornatum bilden die mit Buschwerk und Hechtien bewachsenen, mit Kalk- und Lavagestein durchsetzten Südhänge des Tales ideale Lebensbedingungen. Etwas abseits von den vielfach begangenen Lagen gibt es noch dichte Populationen mit ausgewogener Altersverteilung. Bei einem säulenförmigen Wuchs bis zu 1.8 Meter Höhe beträgt der Körperdurchmesser etwa 20-25 cm. Manchmal findet man auch Exemplare die sich gebogen-pfeifenförmig entwickeln um die Hanglage auszugleichen (Abb. 3). Bei erwachsenen Pflanzen ist die Epidermis von der Basis aus bis zu zwei Drittel der Höhe rotbraun bis dunkelgrau verkorkt. Lediglich Jungpflanzen bis zu 13 cm Durchmesser sind so wie wir sie in unseren europäischen Sammlungen als “schön” bezeichnen, nämlich ohne braune Rinde und beflockt (Abb. 1). Mit zunehmendem Alter wird die Beflockung mehr und mehr reduziert. Große Pflanzen besitzen nur noch vereinzelte, streifenförmige Flockenfelder, teilweise ist bei ihnen die Epidermis gänzlich nudal. Die eng stehenden, filzigen Areolen sind dicht mit gelb- bis honigfarbenen, im Alter grau-schwarzen, 8 bis 11 cm langen, geraden Dornen bewehrt. Aus mittlerer Distanz vermitteln sie den Eindruck als wären die Rippenkanten mit einem Dornenkamm besetzt. Während wir in Kultur selten Ornaten finden deren Rippenzahl acht überschreitet, sind bis zu elf Rippen am Standort keine Ausnahme. Als sukkulente Begleitpflanzen kommen u.a. Cephalocereus senilis (Haworth) Pfeiffer, Coryphantha erecta Lemaire, Echinocactus platyacanthus Link & Otto, Ferocactus
glaucescens (De Candolle) Britton & Rose, Mammillaria geminispina (Haworth) De Candolle, Mammillaria longimamma (De Candolle) Britton & Rose, Myrtillocactus geometrizans (Martinez) Console, Pachycereus marginatus (De Candolle) Britton & Rose, Opuntia spec.
vor. Eine vollständige Auflistung der einmaligen Flora und Beschreibung der Barranca von Metztitlan am Venados findet der interessierte Leser bei Sanchez-Mejorada (1955).
Rio Moctezuma (2):
Nahe der Ortschaft Vista Hermosa im Bundesstaat Queretaro, unweit zum Rio Moctezuma, ist die Varietät Astrophytum ornatum v. mirbelii (Lemaire) Okumura
beheimatet. Auch hier sind Kalkfelsen und -schotter vorherrschend, vulkanisches Gestein ist seltener. Oft sind die Pflanzen im Schutz von Felsen oder an Abbrüchen im Halbschatten angesiedelt. Steile Hanglagen sind
aber die bevorzugten Wuchsorte. Es ist immer eine schweißtreibende und nicht ungefährliche Angelegenheit die exponierten Lagen aufzusuchen. Im Gegensatz zu Venados wächst Astrophytum ornatum in diesem Habitat deutlich kleiner und erreicht bei einem Durchmesser von 20-32 cm nur 90 cm Höhe. Die Exemplare wirken breit und gedrungen (Abb. 4). Jungpflanzen sind gänzlich mit weißen Wollflocken überzogen, die sich anfühlen wie ein Wattefilz. Selbst erwachsene Stücke sind fast immer etwas beflockt, ihre Dornen sind gelb, 7 cm lang und stechend. Als Begleitflora findet man unter anderem Mammillaria elongata De Candolle, Echinocactus platyacanthus, Echinocactus grusonii
Hildmann, Echinocereus pentalophus (De Candolle) Rümpler, Ferocactus glaucescens, Ferocactus histrix (De Candolle) Lindsay, Agave lechuguilla Torrey, Opuntia spec., Dasylirion
logissimum Lemaire, Jatropha dioica Cervantes, Yucca spec.
Rio Extoraz (3):
An steil abfallenden Wänden mit kargem Bewuchs durch Sträucher und Büsche ist Astrophytum ornatum oft ohne jeden Sonnenschutz zu finden. Große Exemplare erreichen 70 cm Höhe bei einem Durchmesser von 25 cm. Sie wirken ebenfalls gedrungener als am Venados, wobei der robuste Eindruck durch die massive, vom Körper abstehende Bedornung noch verstärkt wird. An den Rippenkanten bilden die Areolen keine fließenden Bänder sondern stehen einzeln, etwa 3 cm voneinander entfernt. Sie sind mit dicken, bis 8 cm langen Dornen besetzt. Bei Jungpflanzen werden ab etwa 6 cm die weißen Wollflocken bereits reduziert und mit 12 cm sind sie bereits blühfähig. Man findet erwachsene Pflanzen mit gebogenen Flockenbändern aber auch fast nudale Stücke (Abb. 5). Manchmal sind münzgroße helle Flecken in die matt-grüne Epidermis eingelagert, Ursache könnte eine Viruserkrankung sein. Als Begleitflora kommen Echinocactus platyacanthus, Echinocereus pentalophus, Mammillaria elongata, Mammillaria parkinsonii Ehrenberg, Lophophora diffusa (Croizat), Strombocactus disciformis (De Candolle) Britton & Rose, Thelocactus leucacanthus (Zuccarini) Britton & Rose, Fouquieria splendens Engelmann sowie Hechtia spec. vor.
Rio Torre Blanca (4):
Wenige Kilometer westlich des Rio Extoraz liegt die eindrucksvolle Landschaft des Rio Torre Blanca. Auch hier ein ähnliches Bild. Karg mit Trockenbusch und Fouquieria splendens bewachsene, wellige Hügel aus Schieferschotter säumen den Flusslauf. Im April ist das Gebiet trocken und es ist sehr heiß. Der Niederschlag fällt vorwiegend in den Monaten September, Oktober
. Hier findet man Astrophytum ornatum in außergewöhnlich interessanten Schraubenformen (Abb. 6). Der Wuchs scheint bei dieser Pflanzengemeinschaft als Tendenz bereits genetisch fixiert zu sein und ist vermutlich kein Ergebnis von Wassermangel (H. Hoock, 1990). Die Begleitvegetation ähnelt der vom Rio Extoraz, weiter fanden wir Coryphantha erecta, Ferocactus echidne (De Candolle) Britton & Rose, Lophophora diffusa, Mammillaria geminispina, Opuntia imbricata (Haworth) De Candolle.
Rio Xichu (5):
Bei der Erstbeschreibung von Turbinicarpus alonsoi (Glass & Arias) wird auch Astrophytum ornatum nahe der Stadt Xichu im Nordosten des Bundesstaates Guanajuato erwähnt. Die Pflanzen wachsen in heißen, zerklüfteten und steilen Barrancas auf 1.000 Meter über dem Meer. Im weichen, bröckelnden Substrat der Steilwände findet man wenig Halt und es ist riskant nahe an die Ornaten heran zu klettern (Abb. 7). Sie hängen oft in Schräglage, gestützt von Hechtien in den Wänden. Ihr Zustand macht nicht den besten Eindruck: der untere Teil des Körpers ist oft mechanisch bestoßen ohne Bedornung und mit graubraunem Lehm überzogen. Die Wuchshöhe beträgt bis 40 cm. Sämlinge sind anfangs schütter beflockt, erwachsene Exemplare besitzen nur noch
vereinzelte Flockenbänder oder die blaugrüne Epidermis ist völlig nudal. Neben dem erwähnten Turbinicarpus alonsoi sind hier am Rio Xichu innerhalb der Trockenbuschvegetation eine Form von Mammillaria candida Scheidweiler, Ferocactus echidne sowie Agave xylonacantha (Salm Dyck). besonders erwähnenswert. Weitere sukkulente Begleitpflanzen werden von Glass & Arias (1996) aufgezählt.
Rio Bagres (6):
Es ist überraschend, dass am Rio Bagres, einem linken Nebenfluss des Rio Santa Maria, unweit südlich der Bundeshauptstadt San Luis Potosi eine Astrophytum ornatum Population beheimatet ist. Im Herbst ist die Vegetation frisch grün und der Fluss führt reichlich Wasser. Kommt man aber im Frühjahr in dieses Gebiet, so findet man lediglich einen dichten kaum begehbaren Trockenbusch mit einigen versprengten Fouquieria splendens dazwischen vor. Der “Rio” Bagres zeigt nur ein recht großes, trockenes Flussbett. Das dunkle Gestein lässt auf vulkanischen Ursprung schließen. Dazwischen kommen vereinzelt Kalkformationen als Kalkschotter bzw. Felsplatten mit schwarzen Humusböden zum Vorschein. Die Pflanzen gedeihen auf einem Südwesthang, auch hier teilweise in unpassierbaren Steillagen. Sie wachsen mit breiter Basis und vermitteln eine gedrungene, kompakte Form. Bei erwachsenen Stücken sind, ähnlich wie in den anderen Habitaten, von den Areolen ausgehende, einzelne, nicht zusammenhängende Flockenbänder auf der blaugrünen Epidermis zu erkennen. Die gelben bis dunkelbraunen Dornen sind starr, und stechend vom Körper gerichtet. Abweichend von allen anderen Standorten sind die dicht beflockten Jungpflanzen teilweise völlig dornenlos oder besitzen nur sporadisch bewehrte Areolen (Abb. 8). Bis etwa 6-8 cm Größe sehen sie aus wie achtrippige Astrophytum myriostgma Lemaire. Man wird den Eindruck nicht los, dass in dieser Gegend der evolutive Übergang zwischen den beiden Arten der Gattung stattfand. Als Begleitpflanzen sind Myrtillocactus geometrizans sowie Fouquieria splendens zu nennen.
Astrophytum ornatum ist sehr einfach zu pflegen. Wenn man eine kurze Trockenpause von Oktober bis Februar einhält, wird man in der übrigen Jahreszeit mehrfach die seidig-glänzenden, gelben, bis 11 cm großen Blüten bewundern können. Bei der Aufzucht aus Samen, muss man allerdings etwas Geduld aufbringen, erst etwa zehnjährig werden sie blühfähig. Schon Viereck hat festgestellt, dass Astrophytum ornatum in europäischen Sammlungen nicht sehr häufig anzutreffen ist. Das hat sich bis heute nicht geändert. Vielleicht kommt es daher, dass es wegen seiner Dornen viel Platz benötigt oder weil, aus Samen gezogen, ein Menschenleben nicht ausreicht, ihre Altersform zu bewundern. Im Gegensatz zu allen anderen Astrophyten kann man positiv feststellen, dass sie in ihrer Heimat, abgesehen vom Staudammbau, nicht von Ausrottung bedroht sind da sie steile Barrancas und für Sammler unzugängliche Gebiete besiedeln. Ihr Lebensraum ist uninteressant für Straßenbau, Landwirtschaft und kaum für Viehhaltung. Die Ziegen und Schafe der Einheimischen die in den Felswänden nach Futter suchen, meiden sie wegen ihrer kräftigen Dornen und übersehen die mimetisch perfekt an die Umgebung eingepassten Jungpflanzen.
Klaus-Peter Kleszewski Heinz Hoock
Im Brückfeld 4 Weingartenweg 35
65207 Wiesbaden 84036 Landshut
Literatur
DE CANDOLLE, A. P. (1828): Echinocactus ornatus - Memoires du Museum d'Hist. Naturelle (Revue de la Famille des Cactees) 17: 114.
EHRENBERG, C. A. in SCHLECHTENDAL, D. F. L. (1847): Beitrag zur Geschichte einiger mexicanischer Cacteen - Linnaea 19 (3): 337-368.
GLASS, CH.; ARIAS, S. (1996): Turbinicarpus alonsoi Glass & Arias spec. nov. - eine neue Art aus dem mexikanischen Bundesstaat Guanajuato - Kakt. and.
Sukk. 47 (2): 25-27.
HOOCK, H. (1990): Astrophytum ornatum (DE CANDOLLE) WEBER am Rio Torre Blanca - Kakt. and. Sukk. 41 (10): 230-232.
SANCHEZ-MEJORADA, H. (1978) : Manual de Campo de las Cactaceas y Suculentas de la Barranca de Metztitlan – Publication de Difusion Cultural Num. 2
, Mexico D.F.
SCHEIDWEILER, M. J. (1838): Echinocactus tortus - Bulletins de l'Academie Royale des Sciences et belles-lettres de Brux. 5: 493.
VIERECK, H. W. (1939): Astrophyten, wie sie der Sammler in den Heimatgebieten sieht - Beiträge z. Sukkulentenkunde Jg (1): 4-8.
Alle Bilder von H. Hoock und K.P.Kleszewski:
Abb. 1
Abb. 2 Verbreitungskarte
Abb. 3
Abb. 4
Abb. 5
Abb. 6
Abb. 7
Abb. 8
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