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Astrophytum capricorne var. crassispinum (H. Möller) Okumura
Viele Liebhaber der Gattung Astrophytum haben sich immer wieder mit Astrophytum capricorne var. crassispinum (H. Möller) Okumura beschäftigt und die unterschiedlichsten Meinungen wurden immer wieder, teils sehr kontrovers, diskutiert.
Was macht dieses Thema so gehaltvoll, um immer wieder Diskussionen entbrennen zu lassen? Sicher liegt es mit daran, dass nach seiner
Erstbeschreibung durch Heinrich Möller im Jahr 1925 Pflanzen auf die die Merkmale dieser Beschreibung passen, nicht wieder im beschriebenen Habitat gefunden wurden. In der Folge ein paar Auszüge aus der
Erstbeschreibung:
Körper: kugel- bis kegelförmig 15 cm hoch, 8-9 cm im Durchmesser Epidermis: gefundene Exemplare teilweise nackt bzw. ist
ein Teil der Pflanzen mit regellosen hellen Wollflocken bedeckt. – Bemerkung: In alten Literaturen sind immer die beflockten Exemplare abgebildet.- Rippen: immer 8, scharfkantig Areolen: 20
mm voneinander entfernt, bis 6 mm groß anfangs mit gelblichen Haaren, welche später vergrauen und verfilzen. Bedornung: plattgedrückt, sehr dick, in der Jugend braunschwarz, später grauweiß, kreidig.
Das untere Dornenpaar ist am stärksten, bogenförmig nach links und rechts von der Pflanze abstehend mit nach oben gebogenen Spitzen. Blüte: gelb, Schlund der Blüte ist schwefelgelb. Frucht und Samen: wie beim Typ und den anderen Varietäten.
Heimat: Sierra de Parras, Coahuila
Um das Wissen dieser Merkmale wurden die unterschiedlichsten Habitate durchforscht und die entdeckten Exemplare eingehend analysiert.
Sehr schnell wurde dabei klar, dass der angegebene Standort die Sierra de Parras wohl anzuzweifeln ist. Zwar gedeihen in der sehr weitläufigen Sierra die Arten Astrophytum capricorne var. capricorne (A. Dietrich) Britton et Rose, Astrophytum capricorne var. senile (Fric) Okumura und Astrophytum coahuilense (H. Möller) Kayser, aber Pflanzen die den Merkmalen der Erstbeschreibung entsprechen, wurden in dieser Region bis heute nicht
entdeckt.
Umso interessanter sind die Verbreitungsgebiete rund um die Ortschaft Quatro Cienegas bzw. im gleichnamigen Bolson im Norden von
Coahuila. In dieser Region wurden immer wieder einzelne Fundorte der Gattung Astrophytum bekannt, deren Pflanzen in ihrem Habitus sehr stark an Astrophytum capricorne var. crassispinum erinnern. Letztendlich aber scheiterte es immer wieder daran, dass einzelne Merkmale fehlten bzw. es in der Regel einzelne Exemplare waren welche unter einer Vielzahl von entdeckten Pflanzen dem „Crassispinum“ sehr ähnlich waren. Ein in sich abgeschlossenes Habitat, mit Pflanzen des gleichen Typs, der alle Merkmale aus der Beschreibung von H. Möller beinhaltet, wurde bis heute ebenfalls nicht entdeckt.
In der Kultur befinden sich die unterschiedlichsten Nachkommen, welche mit einigen Merkmalen der Erstbeschreibung übereinstimmen. Leider sind teilweise die gesicherten Nachweise der Herkunft nicht mehr
vorhanden oder unklar. Unsicherheit besteht auch über die Praxis der Vermehrung. Wurde immer ein sortenreiner Same erzielt? Oder hat das eine oder andere Insekt bei der Bestäubung nachgeholfen? Peter Momberger
bestimmte 2007 einen Neotypus (ULM-18572), die er als Varietät zu Astrophytum var. senile stellte. Beheimatet im östlichen Teil des Bolson von Quatro Cienegas. 2013 gab es von Richard R. Montanucci und Heinz
Hoock eine Überprüfung dieser Neutypisierung mit der Empfehlung, den 2007 beschriebenen Neotypus aufzuheben und dafür den Neotypus (ZSS-019963) einzusetzen. Dieser Neotypus ist im westlichen Gebiet des Bolson von
Quatro Cienegas beheimatet und zusammen mit Astrophytum capricorne var. niveum (Kayser) Okumura anzutreffen. In diesem Gebiet wachsen nudale und dicht beflockte Pflanzen unmittelbar nebeneinander.
Betrachtet man sich jetzt einmal die einzelnen Erstbeschreibungen in chronologischer Folge, so wird ersichtlich, dass Astrophytum capricorne var. niveum (Kayser) Okumura erst im Jahr 1933 beschrieben
wurde. Also acht Jahre später als Astrophytum capricorne var. crassispinum (H.Möller) Okumura. Geht man einmal davon aus, dass Pflanzen aus
der unmittelbaren Umgebung von Cuatro Cienegas (km 3-4) die Basis zur Erstbeschreibung lieferten und das Habitat der Mischpopulation ca. 42 km weiter westlich erst später entdeckt wurde. Warum sonst wurde das
„Niveum“ nicht bereits 1925 beschrieben? Kommt man schnell zu der naheliegenden Vermutung, dass es noch einen anderen Standort geben muss dessen Pflanzenmaterial als Basis für die 1925 erstellte Erstbeschreibung
diente. Drehen wir die Geschichte einmal zurück. Versetzen wir uns in das Mexiko um Zeit der Erstbeschreibungen. Straßen bzw. Schotterpisten gab es zu wichtigen Handelsplätzen und Bahnstationen. Reisen war daher
beschwerlich und sehr zeitaufwendig. Viele Gebiete waren noch nicht erschlossen und somit nur mit Maultieren und Eseln zu erreichen. Der Bruder und gleichzeitig Pflanzensammler von Heinrich Möller, Arthur Möller
lebte in San Pedro de las Colonias, Coahuila, Mexiko inmitten einem artenreichen Kakteenparadies. Das von Arthur Möller gesammelte Pflanzenmaterial wurde zu Studienzwecken und Beschreibungen an seinen Bruder
Heinrich gesendet. Auf diese Weise entstanden die Erstbeschreibungen von:
Astrophytum capricorne var. aureum 1925 (H. Möller) Okumura, Sierra de la Paila, Coahuila
Astrophytum capricorne var. crassispinum 1925 (H. Möller) Okumura, Sierra de Parras, Coahuila Astrophytum coahuilense 1927 (H. Möller) Kayser, Cerro Bola, Coahuila
Alle Habitate befinden sich im Umfeld des Wohnortes von Arthur Möller, teilweise in der unmittelbaren Nachbarschaft. Für mich ein Hinweis
darauf, den Standort des „Crassispinum“ Typs in einer, mit den damaligen Verhältnissen, erreichbaren Region zu vermuten und nicht ca. 200 km weiter nördlich. Wie so oft im Leben kommt der Zufall einem zur Hilfe.
Johann Strobl aus Österreich, Kakteenliebhaber und Kenner der Mexikanischen Pflanzenwelt, übermittelte mir in einem E-Mail Aufnahmen, aus einem mir bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannten Habitat, abseits der
bekannten Verbreitungsgebiete. Die abgebildeten Pflanzen hatten große Ähnlichkeit mit den nudalen Pflanzen aus dem westlichen Gebiet des Bolsons von Quatro Cienegas, dem heutigen Neotypus (ZSS-019963). Schon damals
beschloss ich, dass ich bei meiner nächsten Reise dieses Habitat unbedingt besuchen musste. Im Oktober 2014 war es dann soweit, am späten Vormittag standen mein Reisepartner Jürgen Boss und ich vor dem gesuchten
Habitat und machten uns auf die Suche. Was sich als nicht ganz so einfach herausstellte. War das Gelände doch recht steil und durch große Felsformationen fast unzugänglich. Die ersten, wenn auch sehr kleinen
Exemplare, konnten nach einiger Zeit entdeckt werden. Wo kleine Pflanzen sind, müssen auch große Exemplare anzutreffen sein war unsere Devise. Getrieben von diesem Gedanken, stiegen wir immer höher in die Felsen.
Nach einigen Mühen wurden wir belohnt. Mehrere große Exemplare konnten entdeckt werden. Die Körpergröße lag bei den größten Exemplaren zwischen 15 und 18 cm. Anfänglich kann der Körperbau als kugelig bezeichnet
werden. Mit zunehmendem Alter sind die einzelnen Körper eher säulig. Ein Teil der Pflanzen hatte eine völlig nudale Epidermis. Andere wiederum hatten wenige versprengte relativ große Wollflocken unregelmäßig, meist
am Rippenansatz, auf dem Pflanzenkörper verteilt. Dazwischen konnten Jungpflanzen mit locker beflockten Körpern entdeckt werden. Allerdings gab es keine dicht mit weißen Flocken besetzen Exemplare. Die Areolen
sind anfangs hell und wollig. Später vergraut und filzig werdend. Die Bedornung ist holzig und sehr wehrhaft. Sie umspannt den Pflanzenkörper wie ein Netz wobei das untere Dornenpaar sehr stark gebogen ist. Die
einzelnen Dornen sind plattgedrückt und breit. Im Neutrieb braunschwarz, mit zunehmenden Alter grau und ausgebleicht wirkend. Einige wenige Exemplare wiesen im Neutrieb eine helle aber nicht weniger wehrhafte
Bedornung aus. Blüten und Samen konnten leider keine entdeckt werden. Ohne die Einzelheiten der Anfangs zitierten Erstbeschreibung im Detail am Standort parat zu haben war ich bereits im Oktober der Meinung,
dass es sich bei diesem relativ kleinen Habitat um den seit langen gesuchten und bis dato auch nicht wieder beschriebenen Typ-Standort, von Astrophytum capricorne var. crassispinum (H. Möller) Okumura handelt. Jetzt nach Analyse und Auswertung meiner Standortaufzeichnungen und bei Vergleichen mit den Merkmalen der Erstbeschreibung
bin ich davon überzeugt, dass der lange gesuchte Typ-Standort der Möller Pflanzen mit diesem Habitat übereinstimmt. Sicher könnte man sagen es fehlt noch ein weiteres Indiz um den Vergleich mit Möller´s Pflanzen endgültig zu bestehen, nämlich die Farbe der Blüte! Mittlerweile ist aber auch hinreichend bekannt, dass Pflanzen aus dem Capricorne-Komplex dazu neigen das Rot im Schlund der Blüte zu reduzieren. Zusammen mit Heinz Hoock wurde dieser Umstand in einer gemeinschaftlichen Abhandlung 2006 beschrieben.
Mit Rücksicht auf das begrenzte Habitat sowie die begrenzte Anzahl der einzelnen Individuen möchte ich auf eine genaue Beschreibung des Verbreitungsgebietes verzichten.
Literatur Hoock, H. und Kleszewski, K.P. 2006.Astrophytum capricorne (Cactaceae) mit rein gelben Blüten. Kakteen And. Sukk.57(1):15-18
MOMBERGER,P.2007.Astrophytum capricorne var. crassispinum (Cactaceae) - Klärung und Typisierung eines umstrittenen Namens. – Kakteen And.Sukk.58(2):43-47
MONTANUCCI, R.R.; HOOCK, H. 2013.A Review of the Neotypification of Astrophytum capricorne var. crassispinum (H. Möller) Okumura (Cactacae). J. Bot. Res. Texas 7(1): 355-365
MÖLLER,H.1925.Echinocactus capricornus Dietr. und seine Varietäten. Zeitschrift f. Sukkulentenkunde 2(7):127-129
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